Unfertig

„Du bist so richtig stolz drauf, oder?“ sagte ich, als ich ihn von mir runter stieß. „Worauf?“ fragte er mich verwundert. „Das du dich benimmst wie ein Arschloch“ ich schüttelte den Kopf, schnappte mir meine Klamotten und zog mich an. „Ich hab keine Ahnung warum ich das hier tue, warum ich überhaupt noch mit dir rede“ Er lachte, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und grinste mich an „Das frag ich mich seit 3 Jahren.“ Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu „Aber deshalb stehst du auf mich. Recht hatte er. So sehr ich es auch gerne leugnen würde, aber ja, genau deshalb stand ich auf ihn. Und er? Er stand auf mich weil ich so ganz anders war als er. „Diesmal gehst du zu weit, Cade“ ich knallte die Tür hinter mir zu und versuchte auf dem Heimweg einen klaren Kopf zu bekommen. Ich war nicht mal die Straße runter führ sein Auto langsam an mir vorbei. Er ließ das Fenster runter und versuchte mich anzuhalten „Babe komm schon, komm wieder rein“ Wenn ich stehenblieb und ihn ansehen würde, würde ich wieder schwach werden. Er würde mich anlächeln und die arrogante Härte von vorhin wäre verschwunden. Meine Haut fing an zu kribbeln, ich war wütend und ich konnte nicht stehen bleiben, dass schien mir unmöglich, ich musste es durchziehen, ihm zeigen, dass ich auch einen eigenen Willen hatte, der nicht von ihm abhing. „Fick dich, Cade!“ herrschte ich ihn an. Vielleicht ein bisschen zu harsch, denn auf einmal kippte die Stimmung. „Mach was du willst“ entgegnete er genervt und drückte aufs Gas. Ein paar Augenblicke später war er verschwunden. Ich hatte gewonnen. Ich hatte verloren.

 

Zwei Tage später trafen wir uns im Leagons. Ich wusste nicht das er da ist, es passte mir aber ganz gut. Steven, mein neuer Partner und ich spielten eine Partie Billard und ich war drauf und dran zu gewinnen. Cade beobachtete uns, ich sah ihn nicht, aber ich wusste es, ich konnte seine Blicke fast schon körperlich spüren. Steven und ich verstanden uns sehr gut und wir alberten nebenbei ausgelassen herum. Vielleicht lachte ich ein bisschen lauter über seine Witze als nötig und vielleicht berührte ich ihn etwas häufiger als nötig, aber sollte Cade mich beobachten, wusste ich es würde direkt ins Schwarze treffen. Steven entschudigte sich für einen Moment um ein Anruf entgegen zu nehmen und Cade nutzte die Chance um wie gewohnt lässig am Türrahmen zu lehnen. „Hey“ sagte er nach ein paar Sekunden ohne einer Reaktion von mir. „Hey“ begrüßte ich ihn knapp. „Wo ist denn dein neuer Freund?“ fragte er betont lässig. „Das war mir so klar“ antwortete ich schmunzelnd. Er war eifersüchtig. „Was?“ fragte er und kam auf mich zu. Ich ging ein Schritt zurück, wenn er mich berührte würde ich schwach werden. Aber das wusste er und kam noch näher. „Willst du lieber bei ihm sein?“ raunte er mir zu kurz bevor er die Hand auf meinen Hintern legte und mich zu sich zog um mich zu küssen. Ich war wehrlos, genauso wehrlos wie er. Er hatte Macht über mich, aber die selbe Macht hatte ich über ihn. Die Kunst liegt darin es ihn nicht wissen zu lassen. Oder weiss er es schon längst? Wissen wir es beide? Wie machtlos wir gegenüber dem anderen sind? Wie abhängig von einem Lächeln, von einem „Hey“ oder einem „Babe“. Er verdrehte mir völlig den Kopf und ich wusste es geht ihm genauso. „Cat, wir müssen los, das war Fuller, wir sollen sofort aufs Revier.“ Unterbrach uns Steven. „Sehe ich dich später noch, Babe?“ fragte Cade wesentlich lauter als nötig ohne seine Hand von meinem Hintern zu nehmen.

Es ist die Art wie er mich ansieht, mich anlächelt und nur Augen für mich hat. Als wäre ich ein Wunder, ein helles, strahlendes Licht. Als wäre ich alles was er zum Leben braucht. Er sucht meinen Blick und mein Lächeln. Ohne verlässt er nicht den Raum. Ohne dieses stille Versprechen das zwischen uns alles gut ist. Das es immer gut sein wird, egal was passiert. Diese emotionale und sexuelle Spannung ist unbeschreiblich. Ich möchte seine Hände berühren und seine Lippen küssen. Und ich frage mich, möchte er es genauso sehr wie ich? Möchte er mich küssen? Und plötzlich ist er eifersüchtig und sauer, weil er nicht der Mittelpunkt meiner Welt ist. Angeblich möchte er es auch nicht sein. Angeblich.

 

Wir waren nicht lange fertig drehte sich mir der Magen um. Ich rannte auf die Toilette und übergab mich. Ein Schwall aus Tränen und Magensäure kam aus mir raus. Von weitem hörte ich wie Cade an meine Tür hämmerte „Cat, was ist los, mach die Tür auf!“ schrie er. „Cat! Mach sie auf oder ich trete sie ein!“ hörte ich ihn wieder brüllen. Ich konnte mich nicht bewegen, ich zitterte und weinte und hatte das Gefühl jemand würde mich von innen zerreissen. Cade stürmte herein und sah mich völlig entgeistert an, er war kreidebleich. Langsam ging er vor mir auf die Knie und versucht mich festzuhalten, ich hatte kein Gleichgewicht mehr und kippte immer wieder gegen die Wand. „Du verletzt dich noch Kleines, komm her“ Er legte mir ein Handtuch hinter den Kopf und versucht mich zu stabilisieren, dann nahm er ein weiteres Handtuch, machte es nass und wusch mein Gesicht und säuberte mir die Haare. Ich hatte das Gefühl nicht mehr atmen zu können und ließ alles einfach nur geschehen. „Was ist da gerade passiert?“ fragte er als ich mein Atem wieder einiges langsamer und gleichmäßiger war.

„Tut mir leid“ schluchzte ich. „Es geht gleich wieder, gib mir ein paar Minuten“. Ich versuchte aufzustehen, scheiterte aber kläglich. Ich wollte nicht schwach sein und wehleidig, ich hatte Angst und wollte einfach nur wieder in die Realität zurück, raus aus diesem Zustand. „Ich will wissen was los ist, Kleines. Was passiert hier“. Die Bilder kamen wieder hoch und ich musste mich erneut übergeben. „Er hat mir seine Knarre in den Mund gesteckt. Ich vergesse nie diesen metallischen Geschmack, niemals.“ Erneut drehte sich mir der Magen um, aber mehr als ein Würgen brachte ich nicht mehr hervor.

 

 

 

„Wir sollten ihn verkuppeln“ stellte ich zufrieden fest. Jack machte große Augen „Wie du suchst jemand für ihn? Ihr zwei seid doch ineinander verliebt“ fragte er völlig überrascht. „Er ist nicht in mich verliebt“ erwiderte ich in der stillen Hoffnung es wäre anders. Jack grinste nur verheißungsvoll und zog wieder Richtung Menge weiter. Es wäre einfacher für mich, für uns, wäre er glücklich vergeben. Er verdient es glücklich zu sein. Er ist 42, er sollte langsam seßhaft werden, jemanden finden mit dem er einschlafen und aufwachen kann. Vielleicht eine Frau mit Kindern, einer Familie, er sollte glücklich und zufrieden sein Leben verbringen. Und ich? Ich hätte sagen sollen „Achwas, ich bin nicht in ihn verliebt“. Aber das wäre gelogen.

 

 

Verdiene ich es nicht das man sich um mich bemüht. Waren meine Gedanken an einem ziemlich grauen und verregneten Tag in Portland. Ich hatte nur Papierkram zu erledigen und verlor mich in meinen Gedanken. Cade´s Exfreundin ist aufgetaucht. Ich hab sie zusammen gesehen, vor zwei Wochen. Seit dem ist Funkstille zwischen uns. War es nicht genau das was ich mir erst neulich noch für ihn gewünscht hatte? Eine Frau mit Kindern, eine Familie. Wünsche ich mir das? Ich wünsche mir Cade. Mit oder ohne Familie. Wir wären uns genug, unsere eigene kleine Familie. Aber vielleicht wäre nur er mir genug. Was wenn ich ihm einfach nicht genug bin? Ich bin ein Detective, ich habe nicht vor Kinder zu bekommen, Geburtstagsparties zu planen und samstags auf Baseballspiele zu gehen. Ich versuche einfach nur das richtige zu tun. Ich handle so, dass keine Fragen mehr offen sind, ich hab ihm mein Herz vor die Füße geworfen. Ich habe an meiner Intention keine Zweifel gelassen. Er hingegen hinterlässt nur Zweifel, nur Fragezeichen, nur Verwirrung. Er behandelt mich wie etwas besonderes, etwas das ihm was bedeutet. Und gleichzeitig behauptet er, er hätte keine Gefühle für mich. Stimmt nicht, dass hat er nie behauptet, er hat es nie gesagt, er sagte wir verstehen uns gut, aber er hat nie gesagt er würde nichts für mich empfinden. Aber es ist doch offensichtlich oder? Ich meine was hält ihn denn sonst ab, wenn nicht fehlendes Interesse, oder fehlende Gefühle. Er steht einfach nicht auf mich. Und dann erzählt er mir was er geträumt hat. Von mir. Er sagt er vermisst mich, er möchte Zeit mit mir verbringen, es sind diese tausend Kleinigkeiten die er für mich tut, die ich für ihn tue.